1. Mai 2013

Das schwarze Ende von San Marino Imola (Autodromo Enzo & Dino Ferrari)

Es sollte kein gutes Rennwochenende werden in Imola. Doch keiner hat damit gerechnet das die Formel 1 einen der wohl bedeutendsten Rennfahrer aller Zeiten verlieren wird.
Im Training stellen sich die Vorzeichen für ein schwarzes Wochenende. Rubens Barrichello kommt mit 223 km/h von der Strecke ab und fliegt wie eine Rakete in einen Begrenzungszaun und überschlägt sich. Er kommt mit Prellungen am Arm und einer Schnittwunde im Mund davon. Dies sollte einer der harmlosen Unfälle dieses Wochenendes sein.
Dann nimmt das Grauen um 13.18 Uhr seinen lauf, es trifft Roland Ratzenberger. Der Salzburger unterbricht zunächst eine schnelle Runde. Weil er offensichtlich von der Piste abgekommen ist, fährt er zickzack, um Lenkung und Aufhängung durchzuchecken. Dann gibt er wieder Gas, nimmt Anlauf für eine schnelle Runde… Sie endet ausgangs der Tamburello im Streckenabschnitt Villeneuve.
Weil vorne links ein Teil des Frontflügels wegbricht, kann Ratzenberger seinen Simtek nicht auf der Strecke halten. Mit 319 km/h durchfliegt er eine Lichtschranke. Zwei Meter dahinter kommt er links aufs Gras und prallt keine 50 Meter weiter gegen eine Mauer. Bis zur Tosa-Kurve rutscht das völlig zerstörte Auto.
Die TV Bilder zeigen einen regungslosen Roland Ratzenberger im Auto dessen Kopf leblos hin und her geworfen wird. Als Rennarzt Dr. Sid Watkins sich nach kurzer Zeit von Ratzenberger abwendet, besteht für den Österreicher keine Chance mehr. "Er blickte ihm in die Augen" sagte ein Mitglied des Rettungsteams, "und wusste, das es aus ist" Verletzungen der Nackenwirbel, des Kopfes und eine große Wunde im Brustbereich stellen Prof. Dr. Sid Watkins vor eine unlösbare Aufgabe.
Noch bevor der Simtek Pilot mit dem Helikopter ins Krankenhaus nach Bolonga geflogen wird, informiert Bernie Ecclestone Ferrari-Berater Niki Lauda über den Tod seines Landsmann Roland Ratzenberger. Der offizielle Nachricht geben die Ärzte um 14:15, 8 Min. nach der Ankunft im Krankenhaus in Bologna.
Im Fahrerlager herrscht Bestürzung und Trauer. Weil keine Zeit zu verlieren ist, beginnt eine Diskussion über die Sicherheit in der Formel 1, die Anfang Juni zu brauchbaren Ergebnissen führen wird.
Gestritten wird auch. Als einige Ferrari Mitarbeiter die unsinnige Theorie vertreten, der Unfall sei auf die Finanzschwäche Simteks und minderwertiges Material zurückzuführen. Gerhard Berger schimpf allerdings "Jetzt haltet den Mund. Ich flog hier 1989 auch wegen eines Flügelbruchs ab - auf Ferrari" Berger sagt weiter "Erstmals habe er nach einem Unfall am ganzen Leib gezittert. Ratzenberger war Österreicher, und Berger kannte ihn gut" Ihm war übel. Sollte er fahren oder nicht? Im Motorhome wurde ihm klar. Sagt der Tiroler, das die Frage lauten muß: Soll er überhaupt noch jemals fahren, oder nicht? Als er spürte, sein Beruf weiter ausüben zu wollen, steigt er ins Cockpit. Sofort gib er mächtig Gas - auch nachdem er in der Acque Minerale durch den Sand rumpelte!

Sonntag, der schwärzeste der Gesamten Formel 1 Geschichte.

Ohne das er sich auf die Piste begibt, sichert sich Ayrton Senna da Silva die 65. Pole Postion seiner Formel 1 Karriere. Aber das interessiert nur am Rande, keiner erahnt die historische Bedeutung dieses Resultats.
Während des obligatorischen Briefings nach dem Warm-Up, gedenken die Piloten Roland Ratzenberger mit einer Schweigeminute. Später beschließen Senna, Alboreto und Berger in Monaco alle Kollegen zusammenzutrommeln um die GPDA wieder ins Leben zu rufen. Ziel soll es sein ein Mitspracherecht, speziell in sicherheitsrelevanten Angelegenheiten zu erwirken. Notfalls zu erzwingen. Das Meeting wird stattfinden - ohne Roland Ratzenberger und ohne Ayrton Senna da Silva.
Die Atmosphäre ist weiterhin unverändert bedrückt als das Rennen gestartet wird. JJ Lehto, der im Training an seine guten Leistungen anknüpfen konnte, würgt seinen 8 Zylinder ab als die Ampel frei fahrt gibt.
Die hinter dem Benetton stehenden Fahrzeuge scheinen alle dem stehenden Hindernis ausweichen zu können. Dann fliegt Pedro Lamy mit seinem Lotus heran, ein Bolide vor ihm schlägt einen Hacken nach rechts um der blauen Straßensperre Lehto auszuweichen. Das Manöver wird Lamy zur Falle. Links tat sich eine Lücke auf, erinnert er sich später, also stieß ich hinein…! Voll kracht der Lotus in den Benetton von JJ, von dort aus dann links und rechts in die Mauer. Gleich zwei Räder fliegen über den Schutzzaun in die Zuschauertribüne. Eins fliegt glatt über die Tribüne, das andere verletzt neun Zuschauer die ins Krankenhaus gebracht werden müssen.
Um das Chaos an Start-Ziel in Ruhe beseitigen zu können, geht sofort das Safety-Car auf die Strecke, dem Senna, Schumacher, Berger, Hill, Frentzen und die anderen mit Beginn der zweiten Runde folgen. Alle - Senna allerdings erst ungewöhnlich spät - fahren Schlangenlinien, um die Reifen auf Temperatur zu halten.
In der fünften Runde fragt Senna per Boxenfunk ob die Freigabe des Rennens tatsächlich unmittelbar bevorstehen würde. Die Williamscrew bestätigt seine Vermutung, anschließend werden keine Worte mehr zwischen Box und Fahrer gewechselt.
Nach dem Neustart setzten sich Senna und Schumacher vom Rest des Feldes ab. Sennas Flucht nach vorn verläuft nicht nach Maß, doch nach 6 Runden trennen ihn gerade mal 0,6 sec von Schumacher. Schumacher beobachtet in der Tamburello Kurve, das der Rennwagen des Spitzenreiters nervös ist und immer wieder aufsetzt. Beinahe, so der Deutsche, sei er rausgeflogen.
Die Szene wiederholt sich in der folgenden Runde, und diesmal verliert Senna seinen Williams FW16 tatsächlich. Schumacher " Wieder setzt er auf, dann stellte er sich ganz leicht quer und schoß von der Bahn. Der Aufprall sah gefährlich aus, aber ich dachte nicht ansatzweise daran das es die selben Folgen haben würde wie der von Ratzenberger."
So empfinde auch Fahrer John Watson. Als Sennas ramponiertes Auto, aber mit intaktem Monocoque um 14:12 Uhr zum stillstand kommt, schwant dem Briten nichts Böses. "Vielleicht" so vermutet er "tut ihm was weh, und er wartet auf Sid Watkins"
Tatsächlich bewegt Senna kurz den Kopf, doch dann regt sich im Cockpit nichts mehr. Von über 300 auf knapp 200 km/h konnte der Champion seinen Boliden noch abbremsen, leicht lenkt er sein Auto nach links. Williams Konstrukteur Patrick Head "Zeit und Raum reichten nicht aus!" Beim Aufprall stieß ein Aufhängungsteil wie ein Sperr durch den Helm. Die Ärzte erkennen sofort schwerste Kopfverletzungen. Die Stirn des Champions ist völlig zertrümmert. Die Helfer haben größte Mühe, die starken Blutungen zu stillen. "It´s his Head" - es ist sein Kopf, wird Eccelstone per Funk mitgeteilt. Der F1 Zampano versteht "He´s Dead" er ist tot. Auf dem Weg zum Helikopter muss die Trage zweimal abgesetzt werden. Die Hektik der Ärzte lässt Schlimmstes befürchten. Gut 20 Minuten nach dem Unfall hebt der Helikopter in Richtung Bologna ab. An der Unfallstelle bleiben die Trümmer des Autos, Aufprallspuren an der Betonwand, eine Blutlache und Verpackungsmaterial der Helfer zurück.

 



Nach 45 Minuten Unterbrechung wird das Rennen neu gestartet doch das Unglückswochenende ist noch nicht vorbei. Beim Boxenstop von Michele Alboreto löst sich beim beschleunigen das Hinterrad seines Boliden und trifft 5 Mechaniker andere Teams und verletzt diese. Mittlerweile fährt Schumacher einem souveränen Sieg entgegen. In der Anfangsphase gab Gerhard Berger den Ton an doch mit den Unfällen von Ratzenberger und Senna vor Augen gibt Berger auf. Diese Entscheidung bewahrt ihn möglicherweise vor schlimmerem. Später finden Ferrari Techniker ein großes Loch im Unterboden des Boliden. Noch während des Rennens treffen ermutigende Nachrichten aus der Klinik in Bolonga ein. Sennas Kreislauf stabilisiert sich vorübergehende, Ron Dennis lässt den McLaren Jet startklar machen um einen Gehrin-Spezialisten aus Paris zur Hilfe zu holen. Da kurze Zeit später doch keine Hoffnung mehr besteht wird die Aktion gestoppt. Ein Geistlicher wird eingeflogen um Senna den Segen der Katholischen Kirche zu geben. Nach verzweifelten Bemühungen gibt die leitende Ärztin Dr. Maria Teresa Fiandri den Kampf um Sennas Leben auf. Sie lässt die medizinischen Apparate abstellen und verkündent um 18:40 Uhr "Sennas Herz hat aufgehört zu schlagen, wir haben alles in unserer Macht stehenden getan." Senna ist tot.

Berger sagt später "Es ist als wenn die Sonne vom Himmel fällt" treffender kann man es nicht beschreiben.

In Brasilien wird eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Senna wird der höchste Orden seines Landes verliehen. Eine Boing 747 der VARIG bringt der Leichnam des dreifachen Weltmeisters und Nationalhelden zurück nach Sao Paulo. Im brasilianischen Luftraum wird die Boing von Militärflugzeugen begleitet.
Am 5. Mai wird Senna im Stadtteil Morumbi beigesetzt. Millionen säumen die Straßen um Ayrton Senna da Silva die letzte Ehre zu erweisen. Als der Feuerwehrwagen, der Sennas Sarg während des Trauerzuges transportiert, auf das Friedhofsgelände einbiegt, schwenken die Marshals des brasilianischen Grand Prix stumm ihre Signalflaggen.
Alain Prost, mit dem Senna am Morgen seines Todestages gemeinsam frühstückte, Gerhard Berger, Emerson Fittipaldi, Rubens Barrichello, Thierry Boutsen und Damon Hill geleiten den Sarg.

Aus Respekt und zu Ehren Sennas verspricht Prost später das er nie wieder einen Formel 1 Boliden besteigen wird. Diese Versprechen hat Prost bis heute nicht gebrochen!

Ein schwarzes Wochenende für die Formel 1, was bleibt sind die Reifenspuren im Asphalt!